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Taschenuhr Marie-Antoinette

Grande Complication Nr.1160.
Marie-Antoinette verehrte die Zeitmesser Breguets geradezu leidenschaftlich und hatte mehrere erworben, darunter eine sogenannte Montre perpétuelle mit einer Selbstaufzug- Vorrichtung. 1783 bestellte ein geheimnisvoller Verehrer bei Breguet für die Königin eine möglichst spektakuläre Uhr, in der das gesamte uhrmacherische Savoir-faire der damaligen Zeit verwirklicht sein sollte. Der Auftrag präzisierte, dass, wo immer möglich, Gold andere Metalle ersetzen und die uhrmacherischen Komplikationen zahlreich und verschiedenartig sein sollten.

Breguet, damals bereits Hoflieferant, hatte Carte blanche, ohne jegliche zeitliche oder finanzielle Begrenzung. Leider sollte die Königin ihre Uhr Nr.160, genannt “Marie-Antoinette”, nie sehen, wurde sie doch erst 1827 fertiggestellt, 34 Jahre nach ihrem Tod, 4 Jahre nach dem Ableben von A.-L. Breguet und 44 Jahre nach der Bestellung.

Sowohl die extreme Kompliziertheit dieses Zeitmessers als auch seine bewegte Geschichte hatten die Welt der Uhrmacher und die Phantasie der Uhrensammler während mehr als zwei Jahrhunderten umgetrieben. 1983 aus einem Museum in Jerusalem geraubt und schliesslich im Dezember 2007 wieder aufgetaucht, hatte dieses unbestrittene Meisterwerk der Uhrmacherkunst ein derart rätselhaftes und geheimnisumwittertes Schicksal, dass es zum wahrhaft faszinierenden Objekt wurde. 2004 hatte Nicolas G. Hayek seine Uhrmacher in der Manufaktur Breguet vor die grosse Aufgabe gestellt, diese aussergewöhnliche Taschenuhr nachzubauen. Eine derart grosse Zahl von Komplikationen ausschliesslich auf der Grundlage von Dokumenten neu zu erschaffen, erwies sich als echte Herausforderung für die Uhrmacher. Recherchen anhand der Archive und Originalzeichnungen aus dem Breguet Museum sowie in Hochburgen der Kultur, wie dem Musée des Arts et Métiers in Paris, bildeten die einzige Informationsbasis für sämtliche Funktionen und ästhetischen Elemente.

Vergleichende Untersuchungen antiker Zeitmesser, vor allem der Uhr des Herzogs von Praslin, lieferten neue Erkenntnisse über die Ausstattung der Uhren und die uhrmacherischen Verfahren der damaligen Zeit. Die Studien brachten ein heute teilweise ver­schwundenes Savoir-faire wieder zum Vorschein, dank dem Breguet einen Zeitmesser verwirklichen konnte, der seinem Vorgänger in allen Teilen entspricht.

Die neue “Marie-Antoinette”, eine perpetuelle Uhr mit einer Minutenrepetition, die auf Verlangen die Stunden, Viertelstunden und Minuten schlägt, ist ein echtes Kunstwerk. Ein vollständiger Ewiger Kalender zeigt das Datum bei 2, den Wochentag bei 6 und den Monat bei 8 Uhr an. Die Zeitgleichung bei 10 Uhr gibt die tägliche Abweichung zwischen der wahren Sonnen- und der bürgerlichen Zeit an. Im Zentrum sind die springenden Stunden und Minuten durch einen grossen unabhängigen Sekundenzeiger als Vorläufer der Stoppuhrsekunde ergänzt, während sich die kleine Sekunde bei 6 Uhr dreht. Dem Indikator für die Gangreserve von 48 Stunden ist ein Bimetall-Thermometer beigestellt.

Das sogenannte perpetuelle Uhrwerk mit Automatikaufzug vereinigt 823 Einzelteile mit aussergewöhnlichen Endbearbeitungen. Die Platinen und Brücken sämtlicher Räder der Minuterie, des Ewigen Kalenders und der Minutenrepetition sind aus holzpoliertem Rotgold gefertigt. Die Schrauben aus gebläutem Stahl sind ebenfalls poliert, die Reibungsflächen, Löcher und Lager mit Saphir besetzt. Der sinnvoll konstruierte Mechanismus verfügt zudem über einen besonderen Hemmungstyp mit natürlichen Hebungen, eine zylindrische Spiralfeder aus Gold und eine Bimetall-Unruh.

Ein Stossdämpfersystem mit doppeltem “pare-chute” schützt die Achse der Unruh und die Wellen der Aufzugmasse vor Schlägen und Erschütterungen.

Im April 2008, nach vierjähriger Rekonstruktionsarbeit, nahm die neue “Marie-Antoinette” Platz in ihrer prachtvollen Kassette, die aus dem Holz der Eiche in Versailles gefertigt ist, unter der die Königin zu ruhen pflegte.

Sturm- und Dürreschäden hatten ihr derart zugesetzt, dass die Schlossverwaltung von Versailles sich gezwungen sah, diese legendäre Eiche zu fällen, und sie daraufhin Nicolas G. Hayek zum Geburtstag schenkte.

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